Naturentfremdet, oder welches Gemüse ist das gleich noch?
Eigentlich ist doch BIO an jeder Ecke zu finden. Immer wenn ich einkaufen gehe, sehe ich junge Menschen, die Kistenweise Lebensmittel kaufen auf denen Bio steht und sie nach Hause schleppen. Man geht automatisch davon aus, dass diese Menschen einen Bezug zur Natur haben, sich für ökologisch wertvolles Obst und Gemüse interessieren und vielleicht auch mit Begriffen wie „regional“ und „saisonal“ etwas anfangen können. So war meine Vermutung. Neulich kam sie ins Wanken. Ich war einkaufen, wir haben November und da wir gerne saisonal kochen, gibt es gerade jede Menge Blumenkohl, Rosenkohl, Weißkohl (ja, Winterzeit ist Kohlzeit!) und andere Wintergemüse. Ich habe an der Obst- und Gemüsetheke einen riesengroßen Wirsing und einen fast genauso großen Weißkohl in den Einkaufswagen gepackt. Den Wirsing gab es für 55 Cent das Kilogramm, das hatte ich mir zufällig gemerkt. An der Supermarktkasse saß ein junger Mann, dem ich durchaus ein wenig “biologische“ Einstellung zugetraut hätte. Er schob die Waren über den Scanner, legte das Gemüse auf die Waage und tippte etwas ein. Soweit alles normal. Als ich Zuhause den Kassenbon genauer angesehen habe, wurde ich stutzig. Ich hatte nicht viel eingekauft und der Bon war übersichtlich. Sofort an seinem Anfang stach mir ein Kopfsalat ins Auge. Kopfsalat? Ich hatte keinen Kopfsalat gekauft. Ich las den Bon weiter und wenige Zeilen später fand ich die Position Endiviensalat. Hatte ich auch nicht gekauft! Beides war mit 1,99 Euro zum Festpreis aufgeführt. Seitdem überlege ich, ob der junge Mann an der Kasse so naturentfremdet war, dass er Weißkohl nicht von Kopfsalat und Wirsing nicht von Endiviensalat unterscheiden konnte? Diese beiden Gemüse hatte ich (siehe oben) gekauft. Ist das möglich? Braucht die Jugend Naturnachhilfe? Gemüseschulung? Grünzeugcoaching? Alles drei? Weißkohl und Endiviensalat sind traditionelle Gemüse in unserer Gegend. Sie wurden früher regelmäßig im Winter gegessen und auch hier angebaut. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass es in meiner Kindheit oft Endiviensalat gab. Ich mochte ihn nicht, weil er oft in einer Unmenge Wasser schwamm. Heute liebe ich ihn. Allerdings mit weniger Wasser und mehr Dressing. Egal! Jedenfalls, kann das sein? Brauchen wir Naturnachhilfe für den Nachwuchs? Wie sollen junge Menschen naturverträglich und saisonal einkaufen, wenn sie die einzelnen Gemüse nicht kennen. Da würde ich auch eher etwas buntes wählen, weil es schön aussieht. Leider ist das dann wahrscheinlich tausende von Kilometer zu uns geflogen worden. Brauchen wir Schilder mit Bildern? „Das ist ein Blumenkohl“, daneben ein Foto davon. Ich kann nur staunen. Vielleicht muss ich ab und zu junge Menschen fragen, ob sie wissen was ein Weißkohl oder ein Endiviensalat ist. Mal sehen, was dabei rauskommt. Wenn ich Ergebnisse habe, dann erzähle ich Ihnen hier davon… Bis dahin wünsche ich guten Appetit.
Autor: mc