Die zwölfte und letzte Rauhnacht
Zwölf Tage sind nun vergangen, magische Tage. Rauhnächte, Wolfsnächte, Glockennächte, Innernächte. Viele Namen gibt es für diese Zeit zwischen den Jahren, die um Mitternacht am heiligen Abend beginnt und um Mitternacht vor dem Heiligdreikönigfest endet. Eine mystische Zeit, in der der Schleier zur Welt der Ahnen und Geister sehr dünn und durchlässig ist. Eine Zeit, in der die Menschen früher viele Rituale vollzogen. Teils um zu erfahren, was im kommenden Jahr passieren wird aber auch um mit den Verstorbenen in Kontakt zu treten. Es wurde geräuchert um böse Geister zu vertreiben aber auch um gute Geister wohl zu stimmen. Um Gefahren von Haus und Hof fernzuhalten und die Ernte zu schützen. An Silvester brach die Wilde Jagt auf, weil an diesem Tag das Tor zum Geisterreich am weitesten geöffnet war. An diesen Glauben erinnern noch heute vielerorts die Perchtenumzüge oder Perchtenläufe. In den Rauhnächte wurden Orakel befragt, zum Beispiel in Form des Bleigießens. Tiere konnten sprechen und überbrachten den Menschen Botschaften und Hinweise für die Zukunft. Es war eine durch und durch mystische Zeit. Das Sonnenjahr hat 365 Tage, das Mondjahr nur 354. Die Differenz, elf Tage beziehungsweise zwölf Nächte, das sind die Rauhnächte. Eine Zeit, die sozusagen aus der Zeit gefallen ist. Eine Zeit der Besinnung und Besinnlichkeit, des Abschließen und des Neubeginns. Nun aber sind sie vorbei. Der Schleier zum Jenseits schließt sich wieder, das Jahr kann seinen gewohnten Gang gehen. Wir haben viel geräuchert in diesen vergangenen zwölf Tagen, eines der wichtigsten Rituale der Rauhnächte. Es war eine spannende Erfahrung sich ein wenig auf diese vergangenen Traditionen einzulassen. Die Rauhnächte waren aber auch eine Zeit der Ruhe. Die haben wir heute nötiger als zu jeder anderen Zeit. In unserem modernen Leben bestimmen dauernde Erreichbarkeit, ständige Verfügbarkeit, Hektik, Stress und Smartphone das Leben der Menschen. Die Rauhnächte sind eine gute Zeit um sich diesem Wahnsinn wenigstens einige Tage im Jahr zu entziehen, zu verweigern. Man glaubt kaum, wie gut das tut und wie nah man sich selbst dabei kommt. Vielleicht sollten wir mehr dieser alten Riten und Bräuche praktizieren um uns besser auf das Wesentliche in unserem Leben zu konzentrieren. Um Unwichtiges von Wichtigem zu trennen. Das hatten uns die Menschen in früheren Zeiten voraus: sie waren näher bei sich selbst, lebten ein nachhaltigeres Leben und in besserem Einklang mit ihrer Umwelt. Nehmen wir uns ein Beispiel daran und geben wir uns die Möglichkeit die Erfahrungen der „Alten“ selbst zu machen. Zum Beispiel indem wir die Rauhnächte begehen, wie sie frühere begangen wurden. Nächstes Jahr ist eine neue, eine weitere Chance dazu. Also, bis nächstes Jahr am 24. Dezember um Mitternacht, wenn die erste Rauhnacht beginnen wird …
Autor: mc für fuenfseenland.de