Wo ist die Bierotik geblieben? (Rumgranteln #8)
Einst sah man ihn überall. Im Biergarten, in der Wirtschaft, auf der Straße. Stolz trugen die bayerischen Männer ihn vor sich her wie ein goldenes Sportabzeichen. Wohlhabend waren die Träger, um die Trophäe zu erlangen, brauchte es nicht nur einen großen Durst sondern auch einen gefüllten Geldbeutel. Die Rede ist vom Bierbauch, dem Symbol für Bierotik. Viele Frauen fanden ihn sexy, andere wiederum lehnten ihn als „greißlig“ und unsportlich ab. Ja man eine oder einer sprachen sogar von Fettleibigkeit. Dabei hat ein Bierbauch nichts mit Übergewicht zu tun. Viele Träger eines solchen waren schlank, bis auf den Bauch eben. Dieser hat hunderte von Weißbieren, Hellen oder Kellerbieren gekostet um ihn zu züchten, wachsen zu lassen. Mit Stolz ließen seine Träger ihn über die Gürtelschließe hängen. Ein Wahrzeichen. Eine Auszeichnung. Aber in Zeiten von Gesundheitsaposteln und Trimm-dich-Wahn droht auch der klassische Bierbauch auszusterben. Einem Waschbrettbauch soll er weichen. Tausche weich gegen hart. Ja wie zeigt der bayerische Bayer denn dann noch seinen gesellschaftlichen Status? Einen Bierbauch muss man sich erst einmal leisten können. Da steckt richtig viel Geld drinnen. Sicher kennen Sie das T-Shirt mit der Aufschrift „Bier formte diesen wunderschönen Körper“. Zwar hätte ein echter Bierbauchverfechter ein solches T-Shirt niemals getragen aber die Kernaussage ist schon wahr. Jetzt soll alles abgespeckt werden, was zu groß ist. Ausser den Bezügen von Managern und Politikern, versteht sich. „Mei ist der fett“ hörte man Unwissende beizeiten sagen. Diese Aussage zeigt, dass der, der sie trifft, einen Bierbauch nicht von Adipositas unterscheiden kann. Ein Bierbauch ist nicht einfach nur angefressen, er ist über Jahre gehegt und gepflegt worden. Schließlich war er etwas, worauf sein Träger stolz gewesen ist. Gut, gesund waren die 17000 Weißbier auch nicht, die seit seiner Gründung durch die Kehle flossen aber das mit dem Bier hat man in Bayern noch nie so eng gesehen. Schließlich kann man hier laut Günter Beckstein auch nach zwei Maß noch mit dem Auto fahren. Und jetzt? Jetzt sieht man nur noch Fitnessapostel durch die Gegend joggen, hecheln, radeln, walken und so weiter und damit geht ein Stück Bierotik immer mehr verloren. Da laufen dann diese ganzen, leeren Trachtenhemden durch die Landschaft an denen die Hosenträger der Lederhosen wie Fahnen bei Flaute herunterhängen. Is des vielleicht scheener als so ein urgemütlicher Bierbauch? Also ich fand schon immer, dass so ein Bierbauch etwas Besonderes war, wenn er stolz unterhalb der Brust vor sich hergeschoben wurde. Ein g’standenes Mannsbild mit einer Bierwampen, dass war echte Bierotik, die kann man mit Gemüsesäften und Fitnessdrinks niemals erreichen, nicht im Ansatz. Ich finde, da geht ein Stück Tradition für Weizengras und Dinkelmüsli verloren. Mei, alles was g’sund ist macht halt no lang ned schee! Ich wünsche mir wieder mehr Bierotik bei den bayerischen Männern …
Autor: cam für fuenfseenland.de