Eine fiktive Begegnung in Form eines Spazierganges von Frieding nach Starnberg mit dem Dichter, Journalisten, Berichterstatter und Heimatkundler Georg Queri. Natürlich dürfen Sie, liebe Besucherin und lieber Besucher dieser Webseite nicht jedes Wort dieses Textes auf die Goldwage legen. Aber wir fanden es eine schöne Idee, Georg Queri seine eigene Lebensgeschichte erzählen zu lassen.
Wir schreiben das Jahr 1918, ich stehe an der kleinen Verbindungsstrasse, die von Frieding bei Andechs über Perchting nach Starnberg führt. Gelegentlich kommt ein Gespann aus Pferden und Wagen vorrüber. Ansonsten sind die meisten Menschen hier zu Fuß unterwegs. Es ist ein herrlicher Sommertag, und ich entschließe mich auf einer Bank am Wegesrand Rast zu machen. Von weitem sehe ich einen Mann aus Richtung Frieding die Strasse entlangkommen. Als er immer näher kommt, sehe ich, dass er einen hinkenden Gang hat. Er ist klein, untersetzt und trägt einen grünen Lodenmantel. Auf dem Kopf hat er einen moosgrünen Samthut. Als er an mir vorrübergeht, höre ich ihn murmeln:
Agathl, Agathl, taatst mih jetz möng?
Taatst mih jetz hi-holleroh, taatst mih jetz hei-holleroh, heiratn möng?
Dei Miader, dei Röckerl, san um a kloans Bröckerl,
a kloans Bröckerl z' eng – holleroh!
Georg Queri - „Wie mich die Agathl gern hätt heiratn mögn“
„Grüß Gott“ sage ich. Den kleinen Mann reißt es aus seinen Gedanken und er schaut mich durch seinen Nasenzwicker mit Gläsern, die ebenso rund sind wie sein Kopf, erstaunt an. „Jeßmariandjosef! Wann ihn treff tat i des glatt mochn! Aber Grüß Gott a euch!“ sagt er. Er setzt sich zu mir auf die Bank. Sein Bein tue ihm weh. Eigentlich wollte er noch keine Pause machen so früh. Aber jetzt wo sich das sozusagen anbietet setzt er sich. Was denn mit seinem Bein sei? frage ich ihn. „Turnen – in da Schui, do hods mi sauba auf d’Letschn kaut damois“ erklärt er mir. „Hob denkt, mia reißts den ganzen Hax ausse“. Einen Splitterbruch am Hüftknochen hat er sich zugezogen und der quält ihn immer noch. „Aba jamman huift nix, do muas ma hoid lebn damit“. Wohin er denn gehen wolle, frage ich ihn. Er erklärt mir, dass er eigentlich auf dem Weg nach Starnberg sei, und dass man von dort aus doch mit der Eisenbahn nach München fahren kann und dass er das tun wolle. Nach Starnberg! Von Frieding aus! Und das auch noch mit einem Leiden an der Hüfte!
In diesem Haus in Frieding wurde am 30. April 1879 der Schriftsteller Georg Queri geboren. Heute befindet sich dort das Gasthaus „Zum Queri”
Ich frage ihn, ob ich ein Stück mit ihm gehen dürfe? „Ja wanst nix anders zum doa host, nacha kimst hoid mit“ entgegnet er. So brechen wir gemeinsam auf und machen uns auf den Weg Richtung Starnberg. Für seine Behinderung ist er recht flott unterwegs, ich muss sehen, dass ich mithalten kann. Mir fällt auf, dass wir uns einander noch gar nicht vorgestellt haben und hole dies nach. „Queri, Georg oiso Georg Queri“ heisst er, so erzählt er mir und aus Frieding komme er, wohne aber jetzt schon lange in Starnberg. In Frieding sei er auch geboren – damals, am 30. April 1879, einem Mittwoch – falls mein Kalender so weit zurück noch richtig funktioniert.
Was er denn in München machen wolle, frage ich ihn. Kurze Zeit geht er gedankenverloren neben mir her, dann entweicht ihm ein knappes „Bratwurstglöckl“. „Bratwurstglöckl?“ „Am Dom?“ frage ich. „Jo freilich des am Dom, kennst denn in Minga no a anders Bratwurstglöckl, ausser des am Dom?“ Natürlich kenne ich in München kein anderes Bratwurstglöckl ausser dem am Dom.
Georg Queri - Am liebsten im Bratwurstglöckl ...
Warum er denn den weiten Weg nach München auf sich nehme, um dort ein Gasthaus zu besuchen, frage ich ihn während wir weiter in Richtung Starnberg spazieren. „Kartn spuin, Menschn oschaung und dichtn“ erklärt der Queri mir. „Dichten, also Gedichte schreiben – oder?“ „Ja, füa d‘ Gäst und füas Gastbuach und a zum Goid vadiena“. Auf unserem weiteren gemeinsamen Weg erklärt Georg Queri mir, dass er sich immer ein bisserl was verdient, wenn er für die Gäst Gedichte verfasst oder dass der Wirt schon mal etwas „springen“ läßt, wenn er ihm ein schönes Gedicht in sein Gastbuch schreibt. „A Dichter san sie also“ frage ich „A Dichter und a Redakteur und sogoar a Chefredakteur. Bei verschiedene Münchner Zeitungen hab i damois ogfanga zum Schreim und a füa die „Lustigen Blätter“ und de „Vossische Zeitung“. Sogoar für die New Yorker Staatszeitung hob i g’schriebn aber in Amerika hods ma ned a so guat gfoin. Für den Simplizissimus hob i a vo Zeit zu Zeit gschriebn. Seit 1908 bin i Chefredakteur vom „Starnberger Land- und Seeboten“ und seit kurzem schreib i no nembei für de Zeitung „Jugend.“ „So wias ausschaugt wead i vo dem Bladdl demnächst de Leitung vo dera Redaktion übanemma. I hob a scho a bor Biacha gschriebn“ sagt der Queri sichtlich mit Stolz. „Ausserdem war i im Kriag füa des Berliner Tagblatt Kriegsreporter. Aba an Kriag braucht koana“ sagt der Queri und geht einige Schritte nachdenklich schweigend neben mir her. Ob man als Dichter und Redakteur – ja sogar Chefredakteur – gut verdiene will ich von ihm wissen. Er überlegt und etwa 20 Schritte vergehen, bis eine Reaktion von Queri kommt: „Nix konnst vadiena mit dera Schreiberei, aba wos wuist macha, wannst nix anders richtig konnst wia schreim. Ollaweil host an larn Hosensack und muasst schaugn, wiast da wos zum Essn kaffa konnst, damit’st ned vahungast. Was moanst warum i sunst im Bratwurstglöckl für die Leut dichten dat?“
„Beim Kartenspuin muas i ma mei Getränk daspuin und wanns schlecht laft, dann hob i ned amoi des Goid für de Fahrt zruck noch Starnberg. Zmeist muas da Gulbransson Olaf dro glam – woast scho dea Karikaturist und Zeichner – kennst eam scho – oda?“ Ich kenne ihn nicht, aber das sage ich dem Queri jetzt nicht. „Der Gulbransson learnt des Kartenspuin sei Lebdog nimma. Aba dea ko a nix dafüa, weil dea aus Norwegen kummt und do kennas heud koa Wattn oder Schofkopfn. Wann dea aba amoi mehra Glück wia Verstand hod und aus Zufall gwinnt, dann weads brenzli füa mi. Do is a scho vorkumma, dass i beim Wirt im Brawurstglöckl aufm Diwan in da Gaststubn schlafn hob miassn“. Jetzt muß ich schon ein wenig in mich hinein grinsen.
Mein Weggefährte scheint ein richtiger Schlawiener zu sein. Fährt von seinem letzten Geld nach München in seine Lieblingswirtschaft und vertraut darauf, dass er entweder beim Kartenspielen gewinnt oder jemandem gegen Bezahlung ein Gedicht verfassen kann. Wenn beides nicht funktioniert, dann legt er sich einfach in der Wirtschaft auf eine Couch und schläft den Schlaf der Gerechten oder müsste man sagen, den des Verlierers.
Ich schaue ihn an und muß lachen. Erst jetzt fällt mir auf, dass Georg Queri rotblonde Haare hat. Das ist unter dem Hut nicht leicht zu erkennen und ausserdem trägt er das Haar stoppelkurz. Er einen gepflegten Schnautzbart und auch dieser ist von rötlicher Farbe. Es ist eine impossante Erscheinung, der ich begegnet bin. Mittlerweile haben wir Perchting passiert und sind nicht mehr weit von Starnberg entfernt. Über was er in seinen Büchern schreibe frage ich ihn. Er erzählt, dass er Menschen gerne auf den Mund schaut, weil die doch hier bei uns in Bayern so schöne Ausdrücke haben. Nirgends in der Welt redet man so wie hier, und er hat Redensarten gesammelt, die an Derbheit und Unappetitlichkeit vor nichts zurückschrecken. Daraus hat er 1912 das Buch „Kraftbayerisch – Wörterbuch der erotischen und skatologischen Redensarten der Altbayern“ verfasst, das aber nach Erscheinen beschlagnahmt und erst nachdem man sich überzeugt hatte, dass es moralisch unbedenklich sei, wieder freigegeben wurde.
Die Lieblingswirtschaft des Dichters und Journalisten Georg Queri: das Nürnberger Bratwurst Glöckl in München am Dom
„Aba des is wahrscheinli a blos so gwesn, weil si da Thoma so neighengt hod. Sunst war des ned so glimpfli oganga“. „Moment, welcher Thoma und was war so schlimmes in dem Buch gestanden, dass das vor der Strafkammer des Landgericht München I verhandelt wurde?“ frage ich ihn. „Da Richta hod damois des Buach aufgschlong und des erste wos er glesen hod war:
„Und as Fensterln is sündhaft,
und i wers nimmer doa,
und bald Köchin in der Stadt is,
schlaft der Pfarrer alloa“
Georg Queri
„Des hod eana ned gfoin, de Herrn Richter vom Landgericht. Und do hod da Ludwig Thoma, der damois ja scho vui berühmter gwen is, ois wia i vors Gricht miassn und der hod gsogt das mei Buach „volkskundlich außerordentlich wertvoll“ is. Gschriebn hod er damals: „aus Prüderei, denn die Sittlichkeit hat mit diesem ganzen Aufpassertum nicht das mindeste zu tun, eine Sammlung alter und neuer Kraftworte, die immer wieder im Volke entstehen, unterdrücken, heißt wirkliche Volkskunde unterdrücken“. „Des is scho a Hund da Thoma.“
Georg Queri - Im Klinsch mit der Geistlichkeit
„Do homs nix mea dageng hoitn kenna. Da Ludwig Ganghofer hod des Buach gar mit dem indischen Kamasutra vaglicha. Warscheinlich hom de Richta nedamoi richtig gwusst, wos des Kamasutra sei soid.“
„Und sogar da Otto Maußer, dea damois grod ois Leiter von der Wörterbuchkommision bei da Bayerischen Akademie der Wissenschaften eigsetzt worn is, hod mei Buach vateidigt. Und da hom de Richter a Eiseng ghabt und hom des Buach freigebn. De Kosten füa des Verfahren homs da Staatskasse aufbrummt. Des hod mi am meistn gfreid und des Buach hod dann a verkauft wean deafn“. Ich gehe wortlos neben Queri her und staune. „Wars denn wirklich so schlimm was in dem Buch steht?“ „Awos, de Leit hob i auf’s Maul gschaut, wos und wia’s a so redn. Wos moanst denn du, wann de Magd a Millieimer obifoid, wia a so a Bauer plearn ko. Des deafadst a ned vor am Gricht verhandeln. Do is da Ausdruck „Millibritschn“ ja no heilig gega des, wos’d do zhearn griagst.“
„Des is ois blos aufbauscht worn, weil i hoid des ois aufgschriebn hob und wenn des wo schwarz auf weiss steht, dann is des glei ganz wos anders, als wenn des da Bauer ausm Stoi aussaplaerd. Aber des is mia ja öfters mit meine Biacha passiert. Wia i damals des „Bauernerotik und Bauernfehme in Oberbayern“ gschrieben und veröffentlicht hob – laß mi nochdenkn, des muas 1911 gwesen sei – do woitns des a glei beschlagnahmen. Dabei hob i in dem Buach nua über meine Recherchen über des Haberfeldtreiben gschriebn.“ Ein bisserl grantig schaut er dabei drein. Auf mich macht er den Eindruck, dass er mit dem Trubel um seine Bücher nicht ganz einverstanden ist. Frei nach dem Motto „des is hoit so, warum soi ma do ned drüba schreiben“ womit der Queri natürlich Recht hat. Aber was dem einen Recht ist, war einem andern noch lange nicht billig. Besonders die Staatsmacht musste sich im damals erzkatholischen Bayern oft dem Druck der Kirche beugen und Anschuldigungen wegen moralischer Bedenklichkeit oder gar Gotteslästerung nachgehen, die ohne den Druck der Kirche vielleicht im Sand verlaufen wären. Speziell die Geistlichkeit war es, die den Schriftsteller Georg Queri wegen seiner „ketzerischen Texte“ am liebsten „zum Teufel“ geschickt hätte.
Denn es war schon damals so, dass es sich bei der „Heiligkeit“ oft mehr um eine Scheinheiligkeit handelte. Hatten doch auch damals schon die Pfarrer oft ein Verhältnis mit ihren Haushälterinnen – nur gesprochen hat niemand darüber oder besser: „gsprochen hod ned drüber wean deafn“. Aber der scharfsinnige und pfiffige Queri, dem ist das natürlich nicht verborgen geblieben und natürlich hat er als fleißiger Journalist auch nicht anders gekonnt, als darüber zu schreiben, was ihm dann eben auch mehrfach fast zum Verhängnis wurde. „Mit da Kircha hob i oiwei meine Scherereien ghabt. Damals 1905 bin i sogoar austreten aber neun Dog späta bin i wieda eitretn, weilst ja in Bayern a nix bist, wennst ned in da Kirchn drin bist. Do war i dann hoit wieda a braves Schaf, des zu seine Hiatn zruckkumma is aber dafüa hob i hoit no dreckadare Pfarrerg’stanzln gschriem.“ sagt der Queri und grinst recht schelmisch dazu.
Die Sonne scheint mit ihrer ganzen Kraft und der Weg zwischen Perchting und Söcking ist zu beiden Seiten von großen Wiesen mit blühenden Blumen gesäumt. Es riecht nach Sommer, die Bienen summen und ich hätte auch gerne einen solchen Trachtenhut, wie ihn der Queri trägt. Er schützt gegen die Sonne und man bekommt keinen Sonnenbrand auf der Stirn und im Gesicht. Wie der Queri es in seinem Lodenmantel aushält ist mir aber schleierhaft. Aber wenn man sich zu solchen Touren aufmacht wie dieser Mann, dann ist es bestimmt besser auch einen Mantel dabeizuhaben, falls es am Abend kühl wird und man nicht weiß, wie man nach Hause kommen soll. Ausserdem dient er hervorragend als Zudecke, wenn man in einem Gasthaus auf der Couch übernachten muß, denke ich. „Und der Ludwig Thoma war also ein Freund von Ihnen?“ frage ich ihn. „Wie haben sie ihn denn kennengelernt?“ „Den Ludwig hob i 1909 bei de Oberammergauer Passionsspiele kennenglernt. Do hab i als Texter mitgschriebn und der Thoma war ja aus Oberammergau und wer von do kimmt, der hod sowieso des oane oder andere mit da Passion z’doa – sozusagen von Geburt wegen. Und do homma uns kennaglernt. Gotischer Bauernschädel hod mi der Thoma oiwei gnennt.“
Georg Queri - Literaturstreit mit Feuchtwanger
„Am Anfang war i gor net sicher, ob i eam dafür beleidigt sei soid oder ob der blos a Gspasserl mit mia macht. Aber mit da Zeit is a rechte Freundschaft draus worn und wia dann da Ärger mit meim Buach oganga is, do hob i gseng, dass da Thoma a richtig guada Freint is, weil er mir a sovui ghoiffn hod mit de Gandarmen und de Herrn Richter. Des war a Zeit damois in Oberammergau.“
„De woitn mi hom, damit i de oidn Texte von de Passionsspiele redigier und editier. Do is dann a rechter Streit mit dem Lion Feuchtwanger, dem junga Dimpfe, entstandn. Der Feuchtwanger is ois frisch backener Theaterkritiker nach Oberammergau kumma und hod si dann in mehrere Artikel über de Oberammergauer eanara G’schäftstüchtigkeit moniert. Weils mit de Passionsspiele, de ja eigentlich wega da Pest aufgführt wean – woast scho weil de doch 1632 im Dreißigjährigen Kriag ausbrochen is – a G’schäft macha und ned blos wega eanam Gelübde, des gebn hom. Do woit eana da Feuchtwanger an Strick draus drahn.“
„Aber wos huift des heiligste Gelübde und de schönste Passion, wenn de Leid nix z’fressn hom und do is doch verständlich, dass de a wos an de ganzn Besucher von de Festspiele verdiena woitn. Des komma dene doch ned verübeln – oder? Und do hob i mi sauba mit dem Feuchtwanger in’d Hoor kriagt – an Literaturstreit hod ma des ganze gnannt.“ „Sie haben dann also nach Ihrer Arbeit für die Oberammergauer Passionsspiele auch noch Kontakt zu Ludwig Thoma gehabt?“ frage ich ihn. „Jo freilich, weil mir ja beide für den Simplicissimus gschriebn hom und da Thoma zua spätern Zeit ja a in Minga gwohnt hod. Do hom ma uns scho öfters gseng – a beim Kartln im Bratwurstglöckl – dea hod a efters dro glam miassn“ sagt er und grinst wieder gerissen durch die runden Gläser seines randlosen Nasenzwickers. „Und ausserdem hom mia zwoa ja zam – laß mi nochdenkn – 1913 – des Buach ‚Anthologie der Bayerischen Literatur‘ herausgeben. Meist is des blos des Bayernbuach gnannt wordn“ Mir wird schon ganz heiß und der Schweiß läuft mir von der Stirn. Wie der Queri mit seinem kaputten Fuß so schnell gehen kann, ist mir ein Rätsel – wenn ich mit gesundem Fuß schon in’s Schwitzen komme. Aber wir haben Starnberg schon fast erreicht und gehen gerade den Söckinger Berg hinunter nach Starnberg. „Mei des Starnberg – schee is scho, wann’s hoid ned a so protzad war! Seits de Eisenbahn gibt, die da Himbsel baun hod lassn, kumma immer mehr Sommerfrischler und manche von dene woin dann gar nimma geh und bleim füa ewig.“
„Zmeist san des de goidign, und de moana dann, sie san wos bsonders und hattn glei des Song do in unsam Gau. De scheena Herrn Kommerzienräte und Herrn Fabrikanten mit eanam g’scheitn Dahergerede und eanam Haufn Goid kaffn si an Grund an unserm See und moana olle andern, aussa eana, san blos Deppn. Dabei braucht de Gscheidl koana do bei uns!“ Georg Queri und ich erreichen den Starnberger Bahnhof. Mir tun die Füße weh, ihm anscheinend nicht. Hat er doch auch erst einen Teil der Strecke in seine Lieblingswirtschaft hinter sich. Aber jetzt kann er sich erst einmal während der Zugfahrt ausruhen und dann muß er ja nur noch vom Hauptbahnhof zum Dom und in sein geliebtes Bratwurstglöckl.
Die Eisenbahn steht mit dampfendem Schornstein am Gleis und wird sich bald auf ihren Weg nach München machen. „Pfua Gott“ sagt der Queri „und Danke für de Begleitung auf meim Weg. I muaß jetz aba, weil de Eisenbahn wart ned auf mi und da Schaffner hod scho des Schuidl und sei Pfeif’n in da Hand.“ Mit diesen Worten besteigt er das Abteil. Ich bleibe noch am Bahnsteig stehen und sehe dem Zug, der sich in eine Dampfwolke hüllt und mit lautem Zischen, Pfeifen, Quitschen und Stampfen in Bewegung setzt, nach. Noch lange denke ich an dieses Gespräch mit dem Dichter, Journalisten, Heimatkundler und Lebenskünstler Georg Queri. In den folgenden Jahren 1918 – 1919 wird Queri nach dem Attentat auf Kurt Eisner, dem führenden Kopf der Umwälzung in Bayern während der Novemberrevolution, in Starnberg der Sozialistischen Partei beitreten, ihr aber schon ein Jahr später, nach seinen Erfahrungen mit der Räterepublik, enttäuscht den Rücken kehren.
Queri soll dem Ortsverband als Begründung für seinen Austritt geschrieben haben: „Ich vermag in dem sozialdemokratischen Glaubensbekenntnis das Wort international nicht mehr zu verstehen. Ich habe bei ganz nüchterner Betrachtung der Verhältnisse gefunden, dass die Partei noch nicht einmal im Stande ist, ein Land zu regieren“
Georg Queri - Kampf der Scheinheiligkeit
Georg Queri war ein Querdenker, ein findiger Schreiber, aber auch sicherlich kein einfacher Mensch. Schön brav seinen Mund gehalten hat dieser klassische, bayerische Sturschädel nie. Er hatte die Gabe, den Menschen in seiner Umwelt auf den Mund zu schauen und ihre Redensarten, Sprüche und auch Schimpfwörter in Texte und Gedichte zu verfassen. Er war ein Kenner der altbayerischen Tradition und in dieser tief verwurzelt. Oft hat er die Eigenheiten und Angelegenheiten der Menschen so genau beobachtet und darüber berichtet, dass diese nur den Gerichtsweg als Ausweg sahen, um ihre „offenen Geheimnisse“, die zwar eigentlich jeder kannte – über die nur niemand öffentlich sprach und ihr zum Selbstzweck konstruiertes, oft verlogenes „gutes Image“ zu wahren. Meist handelte es sich hierbei um Staatsbedienstete oder Kirchendiener. Deren oft äusserst augenscheinlich zu Tage tretenden Scheinheiligkeit und Hinterfotzigkeit hat Queri erkannt und ihnen wie einen Spiegel vorgehalten.
Er kannte die bayerischen Kultur und ihre Sitten aber auch die Menschen, die sie in diesem schönen Land verkörpern. Seine Bücher haben diese Kenntnisse für die Nachwelt erhalten und geben uns die Möglichkeit, uns mit unserer eigenen kürzlichen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Ludwig Thoma hat einmal über seinen Freund und Kollegen Georg Queri gesagt: „Wo Queri war, saß Altbayern mit seinem breiten Lachen und seinem schlagfertigen Witz am Tisch“. 1919 schreibt Georg Queri während eines Aufenthaltes bei seinem Freund Ludwig Thoma am Tegernsee sein Singspiel „Matheis bricht’s Eis“ und inszeniert es im dortigen Bauerntheater. Am 21. November des Jahres 1919 verstarb Georg Queri im Alter von nur 40 Jahren wohl an den Spätfolgen seiner Hüftverletzung aus seiner Kindheit. Georg Queri ist in Starnberg begraben.
Zu Queris wichtigsten Werken zählen:
1901 D’Hochzeiterin. Ein oberbayrisches Stück in drei Ereignissen
1909 Die weltlichen Gesänge des Egidius Pfanzelter von Polykarpszell
1910 Die Schnurren des Rochus Mang, Baders, Meßners und Leichenbeschauers zu Fröttmannsau
1911 Bauernerotik und Bauernfehme in Oberbayern
1912 Der schöne Soldatengesang vom dapfern Kolumbus
1912 Kraftbayrisch – Wörterbuch der erotischen und skatologischen Redensarten der Altbayern
1913 Bayerischer Kalender auf das Jahr 1913
1913 Bayernbuch (zusammen mit Ludwig Thoma)
1915 Kriegsbüchl aus dem Westen
1917 Wanderbuch vom blutigen Westen
1917 Der Bayerische Watschenbaum
1918 Matheis bricht’s Eis (Singspiel)
1920 Der Kapuziner (unvollendet posthum erschienen)
Georg Queri bei Projekt Gutenberg
Bauernerotik und Bauernfehme in Oberbayern
Der schöne Soldatengesang vom dapfern Kolumbus
Die weltlichen Gesänge des Egidius Pfanzelter Gidi von Polykarpszell
Links zu Georg Queri
Gasthof „Der Obere Wirt zum Queri“
Gaststätte „Nürnberger Bratwurst Glöckl“
http://www.bratwurst-gloeckl.de
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